Ein Duo dreht auf

Pianist
Akrobatische Klavierkunst bietet das Duo Pianotainment. Foto: © Diemand

Profimusiker ging es zuletzt nicht nur an den Geldbeutel, sondern wirklich an die Gurgel. Die Pianisten Marcel Dorn und Stephan Weh hatten monatelang Angst, ihr musikalisches
Baby zu verlieren. Aber es überlebte.

Die Feier zum 25. Geburtstag in diesem Jahr hatten sie sich ein bisschen anders vorgestellt, damals 1996, als Marcel Dorn und Stephan Weh den Entschluss fassten, die Musik zu ihrem Beruf zu machen. Als sie sich das Versprechen gaben, weite Teile des Lebens ihrer großen Passion zu widmen – dem Klavierspiel. Sie steckten die Köpfe zusammen, ließen sie rauchen und fanden irgendwann einen passenden Namen für das große Lebens-Projekt: Pianotainment.

Dorn und Weh haben richtig gut durchgestartet, all die Jahre in die Tasten gehauen, witzige Programme auf die Beine gestellt, die Welt bereist, ein riesiges Publikum in gute Laune versetzt, alles war gut. Weil sie ihre Berufung zum Beruf machen konnten. Ein Traum.

Gewiss, Träume haben ein Verfallsdatum, irgendwann können sie vorbei sein. Und so gab es tatsächlich 2008 einen kleinen Knick in der Karriere. Das Jahr der Weltfinanzkrise. Dorn und Weh hatten vor allem auf Konzerte in China gesetzt und damals festgestellt: „Wir müssen uns künftig breiter aufstellen, um nicht bei Krisen von außen in die Knie zu gehen.“ Pianotainment entdeckte fortan auch die USA und Kreuzfahrtschiffe als Auftrittsorte.

Wie gesagt: Bis vor zwei Jahren war alles bestens, und dem 25. Geburtstag blickte das Duo mit großer Freude entgegen. Doch dann gab’s wieder eine Krise, die über die ganze Welt hereinbrach – ein Virus namens Covid 19. Um in der Sprache der Musik zu bleiben: Dur-Akkorde verklangen, ab März 2020 herrschte Moll im Leben von Pianotainment und anderen Profi-Musikern. Nicht, dass sich die Auftritte und Einkünfte der Musiker nur reduziert hätten. Sie sanken von heute auf morgen auf null. Und es gab lauf Marcel Dorn sogar noch eine Steigerung, ein Minus: „Auf der einen oder anderen Ausgaben, die wir im Vorfeld von geplanten Auftritten bereits getätigt hatten, blieben wir sitzen.“ Das fühlt sich in etwa so an, wie wenn sich die Tasten eines Klaviers mitten im Stück nicht mehr nach unten drücken lassen. Alles verstummt – Grüß Gott Tristesse.

Pianotainment gibt 2022 ein großes Geburtstags-Konzert. Das ist die gute Nachricht, denn die größte Tristesse ist insofern vorbei, als dass Musiker wieder ein paar Auftrittsmöglichkeiten haben. Die schlechte Nachricht: Die Rahmenbedingungen sind noch lange nicht so, wie sie vor der Pandemie waren. Und so muss abgewartet werden, wie genau die Vorschriften sein werden im Saal, wenn die beiden ein brandneues Programm präsentieren. Geplant ist das in Kempten.

Die Allgäuer Marcel Dorn und Stephan Weh haben genügend Zeit gehabt, es auszutüfteln und zusammen zu stellen. Sie waren auftrittstechnisch ja quasi arbeitslos. Und doch knirschte es zunächst an vielen Stellen. Dorn erinnert sich noch gut: „Anfangs war es so, dass ich sehr oft zu Hause am Klavier gesessen bin und gespielt habe.“ Die Musik vermag viele Kräfte zu entfalten. Zum Beispiel jene, Trostspender zu sein. Der Pianist spielt sich den Kummer von der Seele – oft mit Stücken in Moll, die sich vielleicht gegen Ende hin in Dur verwandeln. „Das hat mir schon gutgetan“, sagt Marcel Dorn, der aber irgendwann in ein Loch fiel. Die Psyche war im Keller, die Finger wollten fortan keine Taste mehr nach unten drücken. „Meine bislang schlimmste Zeit“, gesteht er und spricht dabei auch für seinen Kollegen Stephan Weh. Covid hatte das Duo Pianotainment im Würgegriff, so wie viele andere Künstler auch. Keine Gagen, keine Perspektive, keinen systemrelevanten Status, so gut wie keine Hilfe vom Staat. So sieht das Marcel Dorn rückblickend für das Jahr 2020. Ein Jahr später, also 2021, sah es in seinen Augen anders aus. Gottseidank, sagt er heute, denn zum einen konnten er und sein Kollege sich auf staatliche Hilfen verlassen, die plötzlich flossen. Zum anderen hat sich die Auftrittslage inzwischen erheblich verbessert.

„Es läuft wieder an“, signalisieren Dorn und Weh, und wenn es wahr ist, dass das Brot eines Künstlers tatsächlich der Applaus des Publikums ist, dann können die beiden endlich wieder nach diesem notwendigen Nahrungsmittel greifen. Und sie dürfen sich gewiss sein, dass ihr Baby von vor 25 Jahren überlebt hat – und wieder auf sichereren Beinen steht.

So gesehen lässt sich auch durch Elton Johns Song „I’m still standing“ ausdrücken, wie das gelaufen ist bei Pianotainment – Marcel Dorn und Stephan Weh stehen immer noch oder besser: sitzen noch am Flügel. Sie haben sich nicht unterkriegen lassen, obwohl es monatelang nicht gut stand um ihr Baby.

Freddy Schissler

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