Kunsthaus Zürich zeigt eine Retrospektive zur Ausnahmekünstlerin „Niki de Saint Phalle“
Wer einmal den Tarot-Garten von Niki de Saint Phalle in der Toskana durchstreift hat, der kann nur fasziniert von dem Ideenreichtum der Künstlerin sein. Besonders die sinnlichen Nanas, diese üppigen, farbenfrohen Frauenfiguren scheinen auf den Hügeln südlich von Grosseto förmlich zu thronen. Das ist nicht weiter verwunderlich, sollen sie doch eine gehörige Portion Selbstbewusstsein von Frauen abbilden, kombiniert mit einer scheinbar unbekümmerten Fröhlichkeit. Die großformatigen Skulpturen machten Niki de Saint Phalle weltberühmt – egal ob Lissabon, Hannover oder Basel – überall waren die Nanas willkommen.
Aber Niki de Saint Phalles (1930–2002) Gesamtwerk ist überaus facettenreich – exzentrisch, emotional, düster und gewalltätig, humorvoll, hintergründig und immer wieder rebellisch. Die Künstlerin, die in Paris und New York aufwuchs, begann ihre künstlerische Karriere mit den legendären Schießbildern in der französischen Hauptstadt, in die sie zwischenzeitlich zurückgekehrt war. Mit solchen provokativen Aktionen in den 1960er-Jahren hat die Künstlerin einen wesentlichen Beitrag zu der gerade heute hochaktuellen Kunstform der Performance geleistet. Dass sie sich intensiv mit sozialen und politischen Themen sowie Institutionen und Rollenbilder auseinandersetzte – was auch zurzeit wieder von hohem Interesse ist – zeigte ihre persönliche Zerrissenheit und Enttäuschung über die gesellschaftlichen Verhältnisse in jungen Lebensjahren. So heißt es im Katalog der Hypo-Kulturstiftung anlässlich der Ausstellung Niki de Saint Phalle, „Bilder – Figuren – Phantastische Gärten“ 1987 in der Hypo-Kunsthalle, München:
„Ich war eine zornige junge Frau, doch gibt es ja viele zornige junge Männer und Frauen, die trotzdem keine Künstler werden. Ich wurde Künstler, weil es für mich keine Alternative gab – infolgedessen brauchte ich auch keine Entscheidung zu treffen. Es war mein Schicksal. Zu anderen Zeiten wäre ich für immer in eine Irrenanstalt eingesperrt worden – so aber befand ich mich nur kurze Zeit unter strenger psychiatrischer Aufsicht, mit zehn Elektroschocks usw. Ich umarmte die Kunst als Erlösung und Notwendigkeit.“
So betrachtet ist klar, dass im Zentrum ihrer Arbeiten stets die Verarbeitung der eigenen Gefühle stehen musste. In der Retrospektive des Kunsthauses Zürich „Niki de Saint Phalle“ werden nun bis zum
So betrachtet ist klar, dass im Zentrum ihrer Arbeiten stets die Verarbeitung der eigenen Gefühle stehen musste. In der Retrospektive des Kunsthauses Zürich „Niki de Saint Phalle“ werden nun bis zum 8. Januar 2023 rund einhundert Werke ihres außergewöhnlichen Schaffens gezeigt: frühe Assemblagen, Aktionskunst und Grafiken, die Nanas, der Tarotgarten und große späte Plastiken. Die Auswahl der Werke für diese Ausstellung gibt Einblick in das komplexe und hochinteressante Schaffen dieser Ausnahmekünstlerin – und natürlich bietet sie auch ein buntes, vielseitiges Sehvergnügen (mehr unter www.kunsthaus.ch). Ein Begleitkatalog mit dem Titel „Niki de Saint Phalle“ (ISBN 978-3-7757-5299-2) verdeutlicht das Auf und Ab im Lebenszyklus der Künstlerin aus Paris. Bekannte, aber auch weniger prominente, vor allem private Fotos finden hier Eingang in die beeindruckende Biografie einer populären Außenseiterin.
Stefan Raab